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02. März 2020 8 min Lesezeit

Berliner Schnauze in Berlin

Typisch Berlin: die Berliner Schnauze

Schnörkellos, direkt und oft auch ein wenig spöttisch-süffisant, vor allem aber salopp. Das sind die Eigenschaften, die den typischen Berliner wohl am besten beschreiben. Und genau diese Eigenschaften zeigen sich auch in der Sprache der Hauptstädter. Geprägt ist der Berliner Dialekt vor allem von einem derben Humor, der aber stets von Herzlichkeit geprägt ist. Deshalb bezeichnet man die sogenannte Berliner Schnauze auch gern als „Schnauze mit Herz“. 

 

Streng genommen ist die Berliner Schnauze übrigens gar kein Dialekt, sondern ein Metrolekt. Hierbei handelt es sich um eine Sprache, die vor allem in großen Ballungszentren gesprochen wird und die sich aus völlig unterschiedlichen Mundarten zu einer einheitlichen Sprache entwickelt hat. Ein weiteres bekanntes Beispiel hierfür ist etwa das Wienerische: Selbst Österreicher aus anderen Regionen des Landes haben Probleme damit, einige Ausdrücke, die typisch für die Mundart ihrer Hauptstadt sind, sinnerfassend zu verstehen. Der Grund: Über Jahrhunderte hinweg wurde von Wien aus ein Vielvölkerstaat regiert. Menschen aus allen Winkeln des Reiches haben in der Hauptstadt gelebt und ihre jeweiligen sprachlichen Eigenheiten von Zuhause mitgebracht. Einzelne Elemente daraus haben Eingang in das Wienerische gefunden und die Sprache maßgeblich mitgeprägt. Ähnlich ist es bei der Berliner Schnauze, wenn auch aus einem anderen historischen Hintergrund. 

 

Eine weitere Besonderheit der Berliner Schnauze besteht darin, dass die Sprache der Hauptstadt auch von den Einwohnern der Mark Brandenburg übernommen wurde, die ursprünglich Niederdeutsch gesprochen hatten. Am stärksten ausgeprägt ist und bleibt die Berliner Schnauze natürlich innerhalb der Stadtgrenzen von Berlin. 

Ein Blick in die Geschichte der Berliner Schnauze  

Berliner Schnauze Mundart

Die Gegend rund um Berlin wurde ursprünglich von Germanen besiedelt. In den folgenden Jahrhunderten ergossen sich mehrere Einwanderungswellen aus dem slawischen Raum über das Gebiet der heutigen Bundeshauptstadt. Diese lebten hier, bis sich ab dem 10. Jahrhundert im Rahmen der Deutschen Ostsiedlung immer mehr deutschsprachige Siedler in der Region rund um Berlin niederließen. Noch heute zeugen Ortsnahmen wie etwa Köpenick oder Kladow von den slawischen Einflüssen in Berlin.  

 

Hinzu kommt, dass Berlin im Umfeld der Benrather Linie, einer Sprachgrenze zwischen dem Mitteldeutschen und dem Niederdeutschen liegt. Als dann ab 1300 zunehmend Siedler aus Flandern nach Berlin und ins Berliner Umland zogen, vermischten sich die verschiedenen Sprachen zu einem Metrolekt. 

 

Einen starken Wandel erlebte der Berliner Dialekt im Lauf des 18. Jahrhunderts, als eine Mundart entstand, die der heutigen Berliner Schnauze bereits sehr stark ähnelte. Nachdem anno 1871 unter Otto von Bismarck das Deutsche Reich gegründet worden war, zogen zunehmend Einwohner aus Schlesien und Sachsen nach Berlin, die den ortsüblichen Dialekt natürlich ebenfalls maßgeblich beeinflussten. 

 

Wo ist die Berliner Schnauze entstanden? 

Ein Kuriosum am Rande: Die typisch Berliner Schnauze entwickelte sich nicht in den heutigen Stadtgrenzen von Berlin. Denn in ihrer jetzigen Form existiert die Stadt erst seit 1920, als zahlreiche Orte im Umland in Berlin eingemeindet worden waren. Das ursprüngliche Kerngebiet der Stadt erstreckte sich nämlich ausschließlich über die heutigen Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Prenzlauer Berg und Charlottenburg. Es handelt sich hierbei um jene Ortsteile, die sich innerhalb der Ringbahn der Berliner S-Bahn befinden. Alle anderen Stadtteile gehörten ursprünglich zu Brandenburg. Die Einwohner hatten auch nicht allzu viel Kontakt zu den Berlinern und ihrer Sprache. Das änderte sich erst mit dem Anbrechen des 19. Jahrhunderts, als Preußen mehr und mehr an Macht bekam und die preußische Hauptstadt einflussreicher wurde. Sprachwissenschaftler gehen davon aus, dass die Einwohner im Umland ihre ursprünglichen Dialekte zunächst beibehielten und das Berlinerische lediglich als Verkehrssprache zur besseren Verständigung nutzten. 

 

Ein Dialekt wird zurückgedrängt 

Wanderungsbewegungen hatten auch während des gesamten 20. Jahrhunderts einen Einfluss auf das Berlinerische und sorgten dafür, dass kaum noch im Dialekt gesprochen wird. So wanderten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs etwa eine Million Bürger aus Berlin ab, während zugleich in beiden Teilen der damals geteilten Stadt zahlreiche Zuzüge gezählt wurden. Nach Ostberlin zogen vor allem viele Sachsen, während zahlreiche Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberger Westberlin für sich entdeckten. Darüber hinaus zog die geteilte Stadt Einwanderer aus dem Libanon, Italien, Jugoslawien und der Türkei geradezu magisch an. Die Folge: Die Berliner Schnauze wurde aus dem Alltag weitgehend verdrängt. 

 

Viele Neubürger eigneten sich die Berliner Schnauze zwar – zumindest teilweise – an. Allerdings zeigte sich nun in Westberlin ebenso wie im Rest Westdeutschlands ein anderes gesellschaftliches Phänomen: Die Verwendung des Dialekts wurde verpönt und wer nach wie vor in seiner Mundart sprach wurde von seinem Umfeld als ungebildet betrachtet. Als Horte, in welchen die Berliner Schnauze weiter gepflegt wurde, gelten eher Randgebiete wie Spandau und jene Bezirke, die einst Teil Ostberlins waren. Das hat zwei Gründe: Einerseits gibt es in der Stadtmitte kaum noch gebürtige Berliner und andererseits wurde der Dialekt in Ostdeutschland wesentlich stärker geprägt als es im Westen der Fall war.  

 

Und auch in der jüngeren Vergangenheit und in der Gegenwart wird die Berliner Schnauze nach wie vor von Zuwanderern geprägt und ist deshalb einem entsprechenden Wandel unterworfen. Beispielsweise waren zu Beginn der 1990er Jahre zahlreiche Russlanddeutsche nach Berlin zugewandert. Diese hatten einen eigenen Dialekt entwickelt, der sich nur langsam an das Berlinerische angleicht.  

 

Welche Einflüsse haben das Berlinerische geprägt? 

Lange Zeit galt der Berliner Dialekt als Verballhornung der hochdeutschen Sprache. Der Grund dafür: Ein gewisser Sprachwitz ist im Berlinerischen allgegenwärtig. Und dieser arbeitet bevorzugt damit, aufgeschnappte Begriffe zu verschieben. Doch dem ist bei weitem nicht so. 

 

Denn zunächst war Berlin das politische und wirtschaftliche Zentrum Brandenburgs, später Preußens und die Kapitale des Deutschen Reiches und der DDR. Das heißt im Umkehrschluss, dass Berlin seit jeher ein wichtiges Zentrum für Handel und Verkehr, aber auch für Zu- und Abwanderung war. Geprägt wurde das Berlinerische also durch Einflüsse der verschiedensten Art. Weil stets zahlreiche Bevölkerungsgruppen zugewandert waren, fanden verschiedenste Redewendungen und Worte Eingang in das Berlinerische. Diese stammen aus der Umgangssprache und den Dialekten der Zuwanderer. Jedoch ist die Herkunft dieser Worte und Redewendungen kaum noch erkennbar, weil sie sprachlich stark abgeschliffen wurden. Einige der Worte stammen etwa aus dem Rotwelschen, die auch als Gaunersprache bekannt ist. Hierbei handelt es sich um Sondersprachen, die im kriminellen Milieu, aber auch vom fahrenden Volk, Bettlern und anderen gesellschaftlichen Randgruppen gesprochen wird. Weitere sprachliche Einflüsse: 

 

  • Flämisch fand durch den Zuzug von Fernhändlern aus Flamen auf das Berlinerische ein. 
  • Der Einfluss des Französischen ist einerseits den Hugenotten, andererseits aber auch der Zeit der Napoleonischen Besetzung zu verdanken. 
  • Juden flüchteten während des 16. und 17. Jahrhunderts nach Berlin, sodass auch das Hebräische Eingang in die örtliche Umgangssprache fand. 
  • Jiddische Einflüsse hingegen sind der Einwanderung von Juden aus Osteuropa während des 19. und 20. Jahrhunderts zu verdanken. 
  • Zu den slawischen Sprachen, die Berlinerisch beeinflussten, gehören die wendische und die polabische Sprache. Schlesier hingegen brachten polnische Einflüsse, Böhmen tschechische mit in die neue Heimat. 

 

Einige der typischen Ausdrücke im Berlinerischen lassen sehr wohl noch darauf schließen, woher dieser Einfluss stammt. Zwei Beispiele dafür: „Det zieht wie Hechtsuppe“ geht vermutlich auf den jüdischen Begriff hech supha für Sturmwind zurück. Der Ausdruck „Mir is janz blümerant“ hingegen dürfte sich aus dem Französischen, genauer gesagt von „bleu mourant“, zu Deutsch blassblau, ableiten. 

 

Warum Berlinerisch eine Mundart ist 

Sprüche Berliner Schnauze

Das Berlinerische gilt bis heute aus einem guten Grund als Mundart: Denn weitgehend werden im Berliner Dialekt Begriffe aus der hochdeutschen Sprache verwendet. Zudem sprachen die gebildeten Schichten ohnehin kein Dialekt, der als Sprache der einfachen Leute galt. Deshalb hab es auch keine Notwendigkeit, die Sprache in eine Schriftform zu bringen. Deshalb herrscht heute auch große Unsicherheit über die richtige Schreibweise, wenn es darum geht, das Berlinerische in Schriftform zu fassen, weshalb jeder Autor die von ihm bevorzugte Schreibweise wählt. .So there is no need to put the language in writing.That is why there is great uncertaintytodayabout the correct spelling when it comes to writing Berlin in writing, which is why every author chooses the spelling he prefers. 

 

Das Berlinerisch in der Gegenwart  

Heute wird der Berliner Dialekt nicht nur in der Bundeshauptstadt und Brandenburg gesprochen, sondern auch in Teilen von Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Vor allem im Brandenburger Umland wird Berlinerisch mittlerweile wie selbstverständlich als Umgangssprache genutzt. 

 

Die Grammatik des Berlinerischen  

Besonders auffällig im Berlinerischen ist, dass sich sowohl Grammatik als auch Satzbau teilweise stark von der deutschen Hochsprache unterscheiden. Das ist in Brandenburg teilweise oft sogar noch auffälliger als in Berlin. Beispielsweise unterscheidet der typische Berliner den Akkusativ kaum vom Dativ und verwendet üblicherweise das Wort „mir“ statt „mich“. Diese Besonderheit geht vermutlich auf das Niederdeutsche zurück. 

 

Kein G  

Besonders auffällig für Nicht-Berliner ist die Tatsache, dass das g gern durch ein j ersetzt wird. Das macht es teilweise schwierig, verschiedene Worte zu erkennen. Beispielsweise spricht der Berliner das Wort Augen in etwa wie Oojen aus. Der Zuhörer versteht also nicht unbedingt, ob jetzt nun die Ohren oder die Augen gemeint sind. Das Wort Ohren spricht der Berliner hingegen als Oan aus. Dieser Unterschied lässt sich zwar heraushören, ist aber dennoch gewöhnungsbedürftig.  

 

Das Monophtong  

Doppellaute werden im Berlinerischen gern durch Vokale ersetzt. So wird beispielsweise aus einem au ein oo oder aus einem ei ein ee. Wenn der Berliner beispielsweise sagt „Ick rooch mir eene“ meint er damit, dass er jetzt eine Zigarette raucht. 

 

Das Zusammenziehen von Worten und das Er und Wir  

Im Berlinerischen werden Wörter, die nach den Regeln der Hochsprache eigentlich auseinander geschrieben werden müssen, zusammengezogen. So sagt man im Berlinerischen statt „auf dem“ „uffm“. Gern wird im Berlinerischen auch das „er“ durch ein „wir“ ersetzt. Ein typisches Beispiel: „Na, hamwa nu det richtje Jesöff jewählt“ heißt ins Hochdeutsche übersetzt in etwa „Hast du jetzt das richtige Getränk gewählt?“ 

 

Berliner schnauze definition

Typische Berliner Redewendungen  

Selbstverständlich gibt es auch einige Redewendungen, die typisch für das Berlinerische sind. Einige davon sind auch im Rest Deutschlands geläufig und werden teilweise sogar in anderen Regionen des Landes verwendet. Das liegt zum einen daran, dass viele Berliner nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in andere Regionen des Landes umgezogen sind, aber auch daran, dass auch in so mancher Fernsehsendung Berlinerisch gesprochen wird, sodass typische Redewendungen – wenn auch nicht geläufig – zumindest bekannt sind. 

 

  • Dit is mir schnurz piepe!“: Dieser Ausdruck besagt, dass dem Sprecher etwas vollkommen gleichgültig ist. Alternativ wird mangelndes Interesse auch durch „schnurzpiepegal“ oder kurz und einfach „schnurz“ ausgedrückt. Vermutlich fand dieser Begriff aus der Studentensprache Eingang in die Umgangssprache. 
  • „Keene Haare uff´m Kopf, aba´n Kamm inner Tasche“: Mit diesem Begriff werden Angeber, Hochstapler oder Blender bezeichnet. 
  • „Nu aba ran an die Buletten!“: Berliner essen keine Frikadellen, sondern Buletten. Dieser Spruch kann als Aufforderung aufgefasst werden, endlich mit dem Essen zu beginnen. Genauso wird er aber auch verwendet, wenn jemand dazu aufgefordert werden soll, in die Gänge zu kommen und mit dem Handeln zu beginnen. 
  • „Pass ma uff Keule!“: Das Wort Keule steht im Berlinerischen für Kumpel oder Bruder. Bei diesem Spruch handelt es sich um eine Warnung, die nicht sehr freundlich gemeint ist. 
  • „Bist wohl in de S-Bahn jebor´n: Dieser Spruch fällt gern, wenn ein anderer die Tür hinter sich nicht schließt. Der Grund: Die Türen der Berliner U- und S-Bahnen mussten im Gegensatz zu den Bahnen in anderen Städten nicht von Hand geschlossen werden, sondern schlossen automatisch. 
  • Dit zieht wie Hechtsuppe!“: Dieser Spruch fällt, wenn starke Zugluft herrscht.  
  • Wat sind Sie denn für een Blaffke?“ Als Blaffke werden in der Umgangssprache feine Herren spöttisch bezeichnet, aber auch Menschen, die sich für einen solchen halten. Wer als solcher bezeichnet wird, dürfte sich dadurch unbeliebt gemacht haben, dass er sich völlig aufgesetzt verhalten hat. Das Berlinerische kennt aber auch noch weitere Begriffe, mit welchen eitle Menschen bezeichnet werden. Dazu gehören die Ausdrücke „Pinkel“ und „Fatzke“. 
  • Dit find ick knorke“: Bezeichnet ein Berliner etwas als knorke, findet er das ganz prima und großartig. Alternativ wird auch das Wort „dufte“ verwendet. 
  • „Na Mann, du hast heut´ aba wieda ´ne Kodderschnauze.“ Diese Wendung kann sowohl positiv als auch negativ gemeint sein. Das Wort kodderig bedeutet einerseits übel, andererseits aber auch frech oder unverschämt. Hat jemand eine koddrige Schnauze, bedeutet das, dass er ein loses Mundwerk hat und bei jeder Gelegenheit – meist überflüssige – Kommentare von sich gibt. Ein originaler Berliner ignoriert eine derartige Bemerkung und kontert beiläufig mit einer ebensolcher. 
  • Die Abkürzung „JWD“ bedeutet schlicht und ergreifend, das etwas „janz weit draußen“ ist.  
  • „Da kamma nich meckan.“: Wer diesen Spruch hört, sollte sich freuen. Denn es handelt sich hierbei um das größte Lob, das ein Berliner angeblich ausspricht. Eine ähnliche Redewendung existiert übrigens in Bayern mit dem Ausdruck „Nicht geschimpft ist gelobt genug!“